Es ist schon eine ganze Weile her, da schrieb ich einen Artikel zu der mir damals sinnlos erscheinenden Floskel „wie geht’s?“. Obwohl ich immer noch nicht der größte Fan dieser Frage bin, hat sich meine Ansicht zu dem Thema ein wenig gedreht. Um zu erklären was ich meine, muss ich eine nicht ganz unfassbar, jedoch für mich außergewöhnliche Geschichte erzählen, die mir vor fast sechs Jahren passiert ist.

Damals war ich mit einem guten Freund und meiner Cousine auf einem großen Pfadfindertreffen in den USA. Gefühlt 20,000 Pfadfinder, darunter die militant marschierenden Amis, meine Cousine Elisabeth, mein Freund Mario und ich waren in dem mir völlig unbekannten Ort namens Oshkosh, Wisconsin unterwegs. Es war sengend heiß und um vom einen bis zum anderen Ende des Geländes zu kommen musste man mehrere Kilometer laufen. Die Verantwortlichen für das Zeltlager erwähnten bei jeder Gelegenheit, man solle doch bitte viel, viel Wasser trinken. Letzteren Rat habe ich mir leider nicht ganz so zu Herzen genommen. Und so nahm das „Unheil“ seinen Lauf…

An einem Tag ging es mir richtig schlecht – weil ich zu wenig getrunken hatte. Ich habe einen Hitzschlag oder Sonnenstich oder beides bekommen. Jedenfalls ging es mir wirklich nicht gut. Nachdem ich danach mit Wasser vollgepumpt wurde und ich mich eine Zeit lang ausgeruht hatte ging es mir am Abend schon wieder deutlich besser. Da ich dann aber so viel getrunken hatte, musste ich in der darauffolgenden Nacht häufiger aufs Klo. Soweit nichts ungewöhnliches. Doch nach einem meiner Toilettengänge bin ich noch im Dixi-Klo ohnmächtig geworden – und es war nicht wegen dem Gestank, ich schwöre es!

Ich kann das Gefühl gar nicht richtig beschreiben. Aber als ich aufgewacht bin, hat mir alles weh getan. Ich dachte mir „jetzt schnell wieder ins Bett, dann geht’s morgen wieder besser.“ Ich rapple mich also auf und setze den ersten Fuß aus der blauen Box, Hose noch offen und merke beim Auftreten, wie ich wieder bewusstlos werde. Als ich dann aufwache liege ich auf dem Rücken, mein Kopf tut ordentlich weh, Hose halb offen und die Taschenlampe zwei Meter weg von mir. Ich kann mich nicht bewegen.

Ich weiß nicht, wie lange ich da so gelegen bin, aber irgendwann kam dann jemand vorbei und stellte mir diese eine Frage: „Are you OKAY?“ Und ich dann so auf deutsch: „Ja, klar!“ Absolut nicht ironisch gemeint. In dem Augenblick war ich so verwirrt. Und seine Reaktion hat mich dann in dem Moment dementsprechend auch nicht geschockt, sondern erst jetzt, wenn ich darüber nachdenke. Er nickte nämlich und ging weiter!

WTF?, könnte man jetzt mal die Frage an beide Seiten stellen… Und ich möchte das mal generell übertragen. Wenn dich jemand fragt ob es dir gut geht und du weißt ganz genau, dass es dir grad nicht gut geht, warum antwortest du dann mit ja? Oder anders herum: Wenn du jemanden fragst, ob es ihm gut geht und du siehst ganz genau, dass es ihm nicht gut geht, obwohl die Person eisern das Gegenteil behauptet, warum „gehst du einfach weiter“? Warum dann überhaupt die Frage?

Zum Glück kam in meinem Fall kurze Zeit später noch eine Gruppe von jungen Leuten, die dann einen Arzt gerufen haben. Die haben nämlich gesehen, dass es mir nicht gut ging und haben sich um mich gekümmert. Danke nochmal!

Nach meinem ersten Artikel zu dem Thema hatte ich die Frage „wie geht’s?“ immer wieder abgewehrt, weil ich dachte, sie wäre eine hohle Phrase, die zu nichts nützt als Konversationen zu starten. Doch jetzt bin ich eher der Meinung, dass wir uns diese Frage gegenseitig öfter stellen sollten, um sie im Zuge auch wahrheitsgemäß zu beantworten, denn nur dann kann einem geholfen werden.

Also wie geht’s dir?

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  1. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung wenn man bedenkt das mit der Antwort auf diese Frage die meisten Lügen verbunden sind. Man muss auf alle fälle einen Moment innehalten um Wahrheitsgemäß zu antworten oder eine Formulierung zu finden die verdeckt ohne zu lügen.

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